Es wird verhandelt: Oben ohne im Gericht

Auf dem Boden ist der Schatten einer Person zu sehen, welche ein Transparent hält, bei der die Worte "Shut down - auch die Repression" ausgeschnitten sind.Die Sitzungshoheit. Was für ein Wort. Es erinnert fatal an vergangene Jahrhunderte in denen „Euer Hoheit“ als Anrede noch gebräuchlicher war. Und ganz ehrlich: Gerichte erinnern immer wieder fatal an diese Zeiten mit ihrer Sprache und ihren Unterordnungsritualen.

Inbegriff eben jener Sitzungshoheit der jeweiligen Richter*innen ist auch das Recht, Menschen die vermeintlich einen Prozess stören, herauswerfen zu lassen. Stören kann dabei jede Äußerung und manchmal sogar schon ein Lachen oder ein unerwünschter Politbutton sein, denn im Grunde ist die Öffentlichkeit zwar vorgeschrieben, aber faktisch oft unerwünscht. Dass am Ende einer Verhandlung dann „Im Namen des Volkes“ geurteilt wird verdeutlicht, dass dieses Volk ein abstraktes Konstrukt ist und herzlich wenig mit den realen Menschen in dieser Gesellschaft zu tun hat. Erst Recht nicht mit denen, die sich für den konkreten Prozess interessieren.

In einem Fall am Amtsgericht Lingen sollte eine solche vermeintliche Störerin rausgeworfen werden und bat schlicht darum, nicht von Männern angefasst zu werden. Als diese Bitte missachtet wurde, entschied sie sich, ihr T-Shirt auszuziehen, was dann auch den gewünschten Effekt hatte: Es wurden Frauen hinzugerufen, die die Aktivistin aus dem Gericht beförderten. Das soll nun angeblich strafbar sein, was doch reichlich nach einer plumpen Racheaktion des Gerichts wirkt. Doch der Prozess verspricht spannend zu werden, denn bezeugen werden diesen Vorgang die damals Beteiligten, unter anderem der damalige Richter Wulftange.

Wir laden ein zur solidarischen Prozessunterstützung:

Amtsgericht Lingen, 8.10.2025, 9 Uhr, Saal Z 16

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Wollen Sie die Berufung nicht zurückziehen…?

Aus einem geöffneten hohen Fenster eines Steingebäudes schauen mehrere Menschen und halten eine Atomkraft-Nein-Danke-FahneDie Aktion an der Brennelementefabrik zum Jahreswechsel 22/23 beschäftigte jetzt bei der ersten Person auch das Landgericht Osnabrück in drei Verhandlungstagen.

Am ersten eher kurzen Verhandlungstag, der parallel zu zwei Terminen in Lingen lief, gab es keine Zeug*innen. Und denen, die am zweiten Tag erschienen, war deutlich anzumerken, dass sie nicht zum ersten Mal in dieser Sache aussagten. Sie erkannten zahlreiche Menschen, konnten aber beim besten Willen nicht sagen, woher. Bis auf einen Zeugen, der meinte, sich sicher zu sein, nicht nur den Angeklagten, sondern auch dessen Verteidiger auf dem Dach der Brennelementefabrik gesehen zu haben.

Diese Sorte „Erinnerung“ ist es, die wir sehr oft erleben bei Gerichtsverfahren. Polizist*innen erinnern sich entweder an exakt das, was sie in ihre Berichte geschrieben und zur Vorbereitung auf den Prozess nochmal gelesen haben, oder an die Personen auf der Anklagebank. Auch unter Jurist*innen ist es übrigens durchaus strittig, ob Polizeizeug*innen als „echte“ Zeug*innen zu bewerten sind. Wer sich dafür mehr interessiert, wird hier fündig.
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Klatsche fürs Lingener Amtsgericht: Anti-Atom-Aktivistin gewinnt vor Landgericht

Die Berufungsverhandlung am Landgericht Osnabrück dauerte keine halbe Stunde, das Urteil des Landgerichts fiel eindeutig aus: Die Amtsrichterin Hopster aus Lingen hätte den Einspruch der angeklagten Anti-Atom-Aktivistin nicht verwerfen dürfen.
Was war geschehen? Der Aktivistin Johanna Rehse wird vorgeworfen, sich an einer Kletteraktion auf dem Dach der Brennelementefabrik Silvester 2022-2023 beteiligt zu haben. Gegen einen Strafbefehl wegen Hausfriedensbruch legte sie Rechtsmittel ein, doch zu einer inhaltlichen Verhandlung kam es nicht. Die zuständige Richterin in LIngen nahm bei ihrer Terminierung keine Rücksicht auf einen bereits gebuchten Auslandsaufenthalt und verwarf den Einspruch. Das hätte sie, so entschied nun heute das Landgericht, nicht gedurft. Deswegen wird der ganze Vorgang nun ans Amtsgericht zurück verwiesen und dort erneut verhandelt.
Damit waren die Verhandlungen am vergangenen Dienstag also nicht die letzten in dieser Sache.
„Richterin Hopster war auch in einem Parallel-Verfahren zuständig. Dort lief es nicht viel besser als bei mir, sie hat Vorbringen von Angeklagten einfach unterbrochen und permanent gesagt, das sei „wurscht“ und war sichtlich genervt, dass die dortige Angeklagte sich verteidigen wollte. Mal sehen, bei welchem Richter* welcher Richterin mein Verfahren nun landet“, resümiert Rehse.
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Nervtage in Lingen und Osnabrück

Nicht nur wir waren Ende April genervt wegen drei paralleler Prozesstermine, sondern wohl auch die Gerichte und Polizei. Denn wir hatten beschlossen, die Einladung anzunehmen und haben Menschen eingeladen, die Prozesse zu begleiten. Direkt hinter dem Amtsgericht Lingen im Park wurde gecampt, das Gericht dann prompt Tag und Nacht von der Polizei bewacht.

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Live vom Loch!

Anlässlich von Prozessen vor dem Amtsgericht Lingen und dem Landgericht Osnabrück kam es zu einer Aktion am Zaun der ANF Brennelementefabrik in Lingen.

Ein engagiertes Fernsehteam war glücklicherweise vor Ort und konnte zahlreiche Löcher im Zaun dokumentieren und sogar einen Lochexperten als Interviewpartner gewinnen. Das wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten!

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Nervtage in Lingen vom 28.4-30.4.2025

Atomstrom nervt, Gerichte nerven auch. Und wenn Menschen vor Gericht stehen weil sie gegen Atomkraft protestieren nervt das nochmehr. Wenn dann auch noch 3 Prozesse der gleichen Aktion am gleichen Tag in 2 Gerichten verhandelt werden, dann nervt das erst Recht.
Aber nerven können nicht nur Framatome und Gerichte, nerven können wir auch.

Deswegen laden wir dich hiermit ganz ofiziell zu den 1. Nervtagen 2025 in Lingen ein. Komm vom 28.4.2025 bis zum 30.4.2025 zur angemeldeten Versammlung nach Lingen und nerve mit uns zurück! Weiterlesen

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70 Tagessätze: Neue Abschreckungsstrategie in Lingen?

Am 6. und 13. August verhandelte das Amtsgericht Lingen, konkret Richter Wulftange, gegen eine Person, der vorgeworfen wird, an der Kletteraktion Silvester beteiligt gewesen zu sein, bei der Aktivist*innen ein großes Banner mit der Aufschrift „Shut down“ vom Dach der Brennelementefabrik entrollt hatten. Das soll „Hausfriedensbruch“ sein.

Nach der Erfahrung aus vorangegangenen Prozessen in gleicher Sache entschieden sich am ersten Prozesstag einige Menschen statt im Gerichtssaal zu sitzen lieber zur Anlage zu fahren. Denn im Gericht durfte kaum über Atomkraft geredet werden, obwohl es darum doch zentral gehen sollte bzw müsste in einer solchen Verhandlung. Und so wurden dann einige der Anträge, die im Gerichtssaal nicht vorgelesen werden durften schlicht direkt vor der Brennelementefabrik verlesen.
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Mahnwache, Frühstück, viel Polizei und kaum Prozess

Am 19. August 2014 war der Grund, früh aufzustehen, ausnahmweise mal nicht das Amtsgericht in Lingen, sondern eine Mahnwache vor der ANF. Dort protestierte rund ein Dutzend Atomkraftgegner*innen gegen die Joint-Venture-Pläne von framatome mit rosatom. Mit dabei auch die Bundestagsabgeordnete der Grünen Filiz Polat mit der es (nach einem kurzen Stopp am ehemaligen Möbelhaus in dem framatome bereits mit rosatom-Mitarbeitenden zusammenarbeitet(e?)) dann auf Einladung der lokalen Grünen noch ein gemeinsames Frühstück gab. Die Polizei verfolgte all diese Bewegungen und fragte Polat gezielt nach einer bestimmten Person, weshalb im Nachhinein sogar die taz über diesen Tag berichtete. Weiterlesen

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Lingen: Und täglich grüßt das Amtsgericht

Hausfriedensbruch setzt voraus, dass ein Gelände „umfriedet“ ist. Keine*r der Zeug*innen konnte jedoch irgendwas zu Zustand und Vorhandensein von Zäunen sagen, schlicht weil keine*r von ihnen sie sich angeguckt hatte, und an den Angeklagten erinnerte sich auch keine*r. Das war Richter Wulftange allerdings egal und er verurteilte zu 40 Tagessätzen zu je 10 Euro.

Doch zurück auf Anfang: 25.7.24: Wir befinden uns am Lingener Amtsgericht, es ist der zweite Tag in der Verhandlung gegen Simon. Der konnte allerdings selbst nicht anwesend sein und hatte das auch im Vorfeld dem Gericht mitgeteilt. Doch das war dem Richter egal. Seine Wahlverteidigung bestritt den Prozesstag also alleine, bei einer Verhandlung von 11 Uhr vormittags bis 19 Uhr abends eine durchaus anstrengende Sache.

Der zweite Verhandlungstag war notwendig geworden, weil sich keiner der Zeugen des ersten Tages an den Angeklagten erinnern konnte. Das war (nicht zuletzt natürlich allein schon aufgrund seiner Abwesenheit) am zweiten Tag auch nicht möglich, aber Richter Wulftange egal. Er umging die Schwierigkeit der fehlenden Identifizierung dadurch, dass er den Zeugen vernahm, der die Personalien von Simon damals aufgenommen hatte. Der konnte sich zwar ebenfalls an nichts erinnern, sagte aber aus, dass es auf jeden Fall Simon gewesen sei, wenn er das damals so aufgeschrieben habe. Er sagte damit exakt das, was das Gericht hören wollte. Vielleicht auch das, wovon er selbst überzeugt ist. Wir hingegen nicht. In der Kälte einer unstrittig windigen Silvesternacht auf einem unbeleuchteten Dach ist es mehr als wahrscheinlich, dass Menschen Schals und Mützen oder ähnliches tragen. In einer Aktionssituation wie einer solchen, zeigt jede aktivistische Erfahrung, dass die Polizei wenn überhaupt einen sehr flüchtigen Blick auf das Foto des Personalausweises und die vor ihnen stehende Person wirft, bevor sie die Daten abschreibt. Aber mit der Realität haben Selbstdarstellung von Polizeizeug*innen vor Gericht und gerichtliche Einschätzungen von Polizeiverhalten ja ohnehin oft herzlich wenig gemeinsam. Der Zeuge zeigte dann auch noch sein Notizheft mit den abgeschriebenen Personalien vor und das Gericht war zufrieden und wollte die Beweisaufnahme schließen. Weiterlesen

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Dies, das, Ananas: Von Erich Fromm, Prozessen und Atommüll

Wir dokumentieren im folgenden Ausschnitte aus der der am 22.7. im Prozess verlesenen Einlassung:

Erich Fromm schrieb vor einigen Jahrzehnten:

Die Menschheitsgeschichte begann mit einem Akt des Ungehorsams, und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie mit einem Akt des Gehorsams ihr Ende finden wird. [er bezieht sich dabei auf Mythen wie die von Eva und Adam oder von Prometheus] … Wenn auch die Fähigkeit zum Ungehorsam den Anfang der Menschheitsgeschichte darstellte, so könnte doch der Gehorsam sehr wohl deren Ende sein. Ich sage das nicht im symbolischen oder poetischen Sinn. … Tatsache ist, dass wir zwar technisch im Atomzeitlater leben, dass aber die meisten Menschen – einschlieslich all derer, die an der Macht sind – emotional noch in der Steinzeit leben.

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